Netzwerk Mittelstand: Herr Iserloh, in den heutigen Krisenzeiten verändern sich die Rahmenbedingungen und die Märkte schnell. Wie sollten Unternehmer hier reagieren?
Agieren steht im Mittelpunkt. Also nicht reagieren. Jeder Geschäftsführer muss sich fragen, ob er genügend Informationen über die potenzielle Entwicklung seines Unternehmens bekommt, um operative und strategische Entscheidungen zur Verbesserung des Unternehmenswertes zu treffen. In Krisenzeiten geht es darum, den Wert des Unternehmens bzw. das Unternehmen überhaupt zu erhalten.
Netzwerk Mittelstand: Das hört sich so leicht an. Wie soll das gehen?
Es geht grundsätzlich immer für die handelnden Personen in Unternehmen darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gerade in Krisenzeiten muss jedoch das Ziel sein, der Liquidität ein besonderes Augenmerk zu schenken. Neben der künftigen Ergebnisentwicklung und der Bilanzentwicklung, sollte das Controlling unbedingt die Finanzausstattung abbilden. Es muss also die Frage beantwortet werden, wie entwickelt sich der Kontostand, wenn die Zukunft so aussieht wie ich es annehme.
Netzwerk Mittelstand: Was bringt das Vorgehen denn dem jeweiligen Unternehmen?
Der enorme Zusatznutzen bei diesem Vorgehen ist, dass die Entscheider verschiedene Entwicklungen durchspielen und in Bezug auf die Ergebnis-, Finanz- und Bilanzentwicklung abbilden können. Die verantwortlichen Personen werden hiernach nicht mehr von der Zukunft überrumpelt, sondern können sich darauf vorbereiten. Sie können agieren. Gerade in Krisen gilt es, die Liquidität professionell zu steuern, weil die vorrangige Insolvenzursache nach wie vor die Illiquidität ist, mit katastrophalen Folgen für den Unternehmenswert.
Netzwerk Mittelstand: Gilt das denn auch für die aktuelle Krise?
Definitiv. Ich begleite Unternehmen aus den verschiedensten Branchen. Hier sind auch einige von mir begleitete Unternehmen unverschuldet von der aktuellen Entwicklung betroffen, zum Beispiel aus der Reisebranche oder Zulieferer von Hotels. Hier hat die Veränderung der Insolvenzantragspflicht durch die Bundesregierung auch negative Folgen, weil beispielsweise Versicherungsunternehmen mehr Zeit hatten Verträge zu kündigen, obwohl die Unternehmen grundsolide sind. Aus Sicht der Versicherung werden die Verträge in risikoreichen Branchen verringert. Um eine neue bezahlbare Versicherung zu erhalten, muss das Unternehmen nachweisen, dass es in der Praxis aktiv eine Risiko-Früherkennung durchführt. Mit einem integrierten Monatsreporting können Unternehmen dies sehr zügig, weil aktuelle Auswertungen in der Schublade liegen und die professionelle Unternehmenssteuerung somit auch gegenüber der Versicherung nachvollziehbar dokumentiert werden kann.
Netzwerk Mittelstand: Sie sprachen die veränderte Insolvenzantragspflicht an. Hat dies bereits messbare Folgen für Unternehmen?
Die Antragspflicht zur Insolvenz aufgrund von Überschuldung ist bis zum 31.12.2020 ausgesetzt.
Die Zahlungsunfähigkeit ist seit dem 1.10.2020 für die Insolvenz wieder eine Antragspflicht. Mit Hilfe einer integrierten Finanzplanung kann jeder Geschäftsführer nachweisen, dass er in der Lage ist, alle Verbindlichkeiten zu zahlen, und somit auch seine Haftung vermeiden.
Aber in diesem Zusammenhang ist eine aktuelle Veröffentlichung des Instituts der deutschen Wirtschaft erschreckend. Die teilweise Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht durch die Bundesregierung hat ja die Finanzausstattung der Unternehmen nicht verändert. Es schlummern laut IDW über 4.300 sogenannte „Zombie-Unternehmen“, die unter normalen Bedingungen schon insolvenzantragspflichtig gewesen wären. Insofern ist es doch überlebenswichtig, dass ich als Geschäftsführer die künftige Entwicklung meines Unternehmens regelmäßig quantifiziere, damit gezielt eine Lösung erarbeitet werden kann und es erst gar nicht zu einer solchen Gefahr kommt.
Netzwerk Mittelstand: Sie sind also der Meinung, dass die Einführung eines solchen Controlling-Instruments einem jeden Unternehmen hilft und als solches die erste Wahl sein sollte?
Ja, diese Empfehlung gilt für alle Unternehmen, egal ob sie positive Ergebnisse erwirtschaften oder von der Krise beeinflusst werden. Ich gewinne durch das Sichtbarmachen in jedem Fall Zeit, die vor Krisensituationen von unschätzbarem Wert ist. Zusätzlich ist der Beginn des Planungsprozesses der erste Schritt, um die Zukunft des Unternehmens sicherer zu gestalten. Denn ich muss mich ja mit der möglichen Zukunft befassen und diese quantifizieren. Nach 25 Jahren als Unternehmensberater im deutschen Mittelstand kann ich aus Überzeugung sagen, dass die integrierte Planung das erste Controlling-Instrument der Wahl für jedes Unternehmen ist. Und in der Praxis hat dann ein jedes Unternehmen ein praxiserprobtes Steuerungsinstrument und eine hervorragende Informationsbasis für externe Geldgeber, um auch schwierige Zeiten gut zu überstehen.
Wir bedanken uns für das Gespräch Herr Iserloh.
Hinterlasse einen Kommentar